GESTALTpraxis - Blog

Stefan Berzel

Long Covid, der Gestaltansatz und das Politische

Die Gestalttherapie kann ein hilfreicher Ansatz für Personen mit Long COVID, auch bekannt als postakute Folgen der SARS-CoV-2-Infektion (PASC), sein, da sie helfen kann, die emotionalen und psychologischen Auswirkungen der Krankheit zu verarbeiten. Long COVID ist ein Zustand, bei dem die Betroffenen nach der anfänglichen akuten Phase von COVID-19 eine Reihe von Symptomen wie Müdigkeit, Kurzatmigkeit, kognitive Beeinträchtigungen und Stimmungsschwankungen erleben.

In der Gestalttherapie kann der Therapeut mit dem Klienten daran arbeiten, seine Gefühle und Überzeugungen in Bezug auf seine Krankheit zu erforschen, die komplex und vielschichtig sein können. Der Therapeut kann mit dem Klienten auch Bewältigungsstrategien entwickeln, um seine Symptome zu bewältigen und sein allgemeines Wohlbefinden zu verbessern. Dazu kann es gehören, die Beziehung zum eigenen Körper zu erforschen, zu lernen, Grenzen zu setzen und mit Stress umzugehen, und eine positivere und akzeptierende Haltung gegenüber der Krankheit zu entwickeln.

Darüber hinaus kann die Gestalttherapie den Betroffenen helfen, zugrundeliegende emotionale oder psychologische Probleme zu erkennen und zu behandeln, die ihre Symptome möglicherweise verschlimmern. So können beispielsweise Stress, Angst und Depression zu Müdigkeit und anderen Symptomen beitragen, die mit einer Long COVID einhergehen. Durch die Zusammenarbeit mit einem Therapeuten, der diese zugrunde liegenden Probleme anspricht, können die Betroffenen ihre Symptome besser in den Griff bekommen und ihre Lebensqualität insgesamt verbessern.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Gestalttherapie kein Ersatz für eine medizinische Behandlung ist, und dass Personen mit Long COVID eng mit ihrem Arzt zusammenarbeiten sollten, um ihre Symptome in den Griff zu bekommen und einen umfassenden Behandlungsplan zu entwickeln. Die Gestalttherapie kann jedoch eine wertvolle Ergänzung zur medizinischen Behandlung sein, da sie den Betroffenen helfen kann, die emotionalen und psychologischen Aspekte ihrer Krankheit besser zu verstehen und zu bewältigen, was ihr allgemeines Wohlbefinden verbessern kann.


Verwiesen werden soll auf Selbsthilfegruppen (Selbsthilfegruppe Long-COVID) in denen sich Betroffene austauschen und untereinander Solidarität und Verständnis finden. Auch diese Seite will der Gestaltansatz betonen: Therapie ist nie unpolitisch, sondern ganz im Gegenteil. Der Gestaltansatz lässt sich auch auf die Bekämpfung von Machtungleichgewichten und sozialen Ungerechtigkeiten im politischen Bereich anwenden. Indem man sich seiner eigenen Privilegien und Vorurteile bewusst wird, kann man darauf hinarbeiten, Systeme der Unterdrückung abzubauen und mehr Gleichheit und Gerechtigkeit für marginalisierte Gemeinschaften zu fördern. Dies kann Aktivismus, Lobbyarbeit oder andere Formen des politischen Handelns beinhalten, die darauf abzielen, systemische Probleme anzugehen und den sozialen Wandel zu fördern.

Darüber hinaus unterstreicht der Gestaltansatz die Bedeutung von Dialog und Kommunikation im politischen Bereich. Durch die Förderung einer offenen und respektvollen Kommunikation können Einzelpersonen und Gemeinschaften darauf hinarbeiten, eine gemeinsame Basis zu finden und gemeinsam Lösungen für komplexe politische Fragen zu entwickeln.

Es ist wichtig anzumerken, dass der Gestalt-Ansatz keine Einheitslösung für politische Fragen ist und dass verschiedene Personen und Gemeinschaften unterschiedliche Ansätze für die Behandlung politischer Fragen benötigen können. Durch die Förderung des Selbstbewusstseins, der persönlichen Verantwortung und eines ganzheitlichen Verständnisses von politischen Fragen kann der Gestaltansatz jedoch ein wertvolles Instrument zur Förderung von mehr Gleichheit, Gerechtigkeit und Wohlbefinden im politischen Bereich sein.

Die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der Post-COVID-Versorgung 

- die Gestalttherapie und Paulo Freire


Die COVID-19-Pandemie hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, und zwar nicht nur im Hinblick auf die unmittelbare Krise der öffentlichen Gesundheit, sondern auch in Bezug auf ihre langfristigen sozialen und politischen Folgen (Korin, 1994). Eine der wichtigsten Fragen, die sich gestellt hat, ist die Situation der Patienten nach der COVID-Pandemie, die oft mit einer Reihe von körperlichen, psychischen und sozialen Problemen konfrontiert sind, während sie die Folgen der Krankheit bewältigen.




Bestehende Forschungsarbeiten haben die vielschichtigen psychosozialen Auswirkungen von COVID-19 auf verschiedene gefährdete Bevölkerungsgruppen, darunter Krebspatienten, Überlebende und ihre Betreuer, aufgezeigt (Edge et al., 2021) (Egan, 2020). Insbesondere Krebspatienten wurden als eine Gruppe identifiziert, die besonders anfällig für die mit der Pandemie verbundene psychische Belastung ist, da ihr bereits geschwächtes Immunsystem und die erheblichen Veränderungen in ihrem täglichen Leben und ihren Routinen durch pandemiebedingte Einschränkungen und Unsicherheiten noch verstärkt werden können (Bochicchio et al., 2023) (Ng et al., 2020). 


In diesem Zusammenhang können die Arbeiten von Paulo Freire und der Gestalttherapie wertvolle Einblicke in die gesellschaftspolitischen Implikationen der Post-COVID-Versorgung bieten. 


Freires kritische Pädagogik, die das emanzipatorische Potenzial von Bildung betont, kann ein nützlicher Rahmen für das Verständnis der Erfahrungen von Post-COVID-Patienten und ihren Betreuern sein (Polivy, 1996). Die Gestalttherapie, deren Schwerpunkt auf der ganzheitlichen Integration des Individuums in seinen sozialen und ökologischen Kontext liegt, kann ebenfalls eine wertvolle Perspektive auf die psychologischen und sozialen Herausforderungen bieten, mit denen diese Bevölkerungsgruppe konfrontiert ist (Polivy, 1996).


Mit einem von Freire und Gestalt inspirierten Ansatz können wir untersuchen, wie die Pandemie bestehende soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten verschärft hat und wie diese Ungleichheiten die Erfahrungen von Post-COVID-Patienten und ihren Betreuern prägen (Schaefer & Palokas, 2023). Dies kann in die Entwicklung gerechterer und inklusiverer Gesundheitsstrategien und -praktiken einfließen und letztlich das Wohlbefinden und die Selbstbestimmung dieser gefährdeten Bevölkerungsgruppe fördern.


GESTALTpraxis Stefan Berzel

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