Stefan Berzel
Die Diagnose einer Dienstunfähigkeit kann das Leben eines Therapeuten grundlegend verändern. Doch auch wenn die berufliche Tätigkeit eingeschränkt ist, bleibt die Leidenschaft und das Engagement für die psychotherapeutische Arbeit bestehen. Hier sind einige Ansätze, wie man trotz Dienstunfähigkeit weiterhin effektiv und einfühlsam Klienten begleiten kann.
1. Flexibilität und Anpassung
Eine der größten Herausforderungen bei einer Dienstunfähigkeit ist die Anpassung an neue Arbeitsbedingungen. Dies kann bedeuten, dass man seine Arbeitszeiten reduziert oder alternative Arbeitsmethoden findet. Online-Therapie ist eine hervorragende Möglichkeit, weiterhin Klienten zu unterstützen, ohne physisch anwesend sein zu müssen. Diese Flexibilität ermöglicht es, die eigene Gesundheit zu schonen und dennoch qualitativ hochwertige Therapie anzubieten.
#### 2. **Selbstfürsorge und Grenzen setzen**
Es ist essenziell, auf die eigene Gesundheit zu achten und klare Grenzen zu setzen. Dies bedeutet, dass man sich selbst Pausen gönnt und nur so viele Klienten annimmt, wie man bewältigen kann. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um langfristig für andere da sein zu können.
#### 3. **Fortbildung und Supervision**
Auch während einer Dienstunfähigkeit ist es wichtig, sich weiterzubilden und Supervision in Anspruch zu nehmen. Dies hilft nicht nur, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern, sondern bietet auch emotionale Unterstützung und neue Perspektiven. Fortbildungen können oft online absolviert werden, was zusätzliche Flexibilität bietet.
#### 4. **Technologische Unterstützung**
Die Nutzung von Technologie kann die Arbeit erheblich erleichtern. Online-Therapieplattformen, digitale Tagebücher und Apps zur Unterstützung der psychischen Gesundheit können wertvolle Werkzeuge sein. Diese Technologien ermöglichen es, Klienten effektiv zu begleiten, auch wenn man selbst nicht in der Lage ist, persönlich anwesend zu sein.
#### 5. **Netzwerk und Zusammenarbeit**
Ein starkes berufliches Netzwerk kann in Zeiten der Dienstunfähigkeit von unschätzbarem Wert sein. Der Austausch mit Kollegen, die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams und die Teilnahme an Fachgruppen können nicht nur fachliche Unterstützung bieten, sondern auch das Gefühl der Isolation verringern.
#### 6. **Fokus auf Stärken und Ressourcen**
Es ist wichtig, sich auf die eigenen Stärken und Ressourcen zu konzentrieren. Auch wenn man nicht mehr in der Lage ist, in vollem Umfang zu arbeiten, gibt es viele Fähigkeiten und Erfahrungen, die weiterhin wertvoll sind. Indem man sich auf das konzentriert, was man noch leisten kann, anstatt auf das, was nicht mehr möglich ist, bleibt man motiviert und engagiert.
#### Fazit
Trotz einer Dienstunfähigkeit ist es möglich, Klienten gut und einfühlsam zu begleiten. Durch Flexibilität, Selbstfürsorge, kontinuierliche Weiterbildung, technologische Unterstützung, ein starkes Netzwerk und den Fokus auf eigene Stärken kann man weiterhin einen wertvollen Beitrag zur psychischen Gesundheit seiner Klienten leisten. Es ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance, neue Wege zu finden und sich weiterzuentwickeln.
Die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der Post-COVID-Versorgung
- die Gestalttherapie und Paulo Freire
Die COVID-19-Pandemie hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, und zwar nicht nur im Hinblick auf die unmittelbare Krise der öffentlichen Gesundheit, sondern auch in Bezug auf ihre langfristigen sozialen und politischen Folgen (Korin, 1994). Eine der wichtigsten Fragen, die sich gestellt hat, ist die Situation der Patienten nach der COVID-Pandemie, die oft mit einer Reihe von körperlichen, psychischen und sozialen Problemen konfrontiert sind, während sie die Folgen der Krankheit bewältigen.
Bestehende Forschungsarbeiten haben die vielschichtigen psychosozialen Auswirkungen von COVID-19 auf verschiedene gefährdete Bevölkerungsgruppen, darunter Krebspatienten, Überlebende und ihre Betreuer, aufgezeigt (Edge et al., 2021) (Egan, 2020). Insbesondere Krebspatienten wurden als eine Gruppe identifiziert, die besonders anfällig für die mit der Pandemie verbundene psychische Belastung ist, da ihr bereits geschwächtes Immunsystem und die erheblichen Veränderungen in ihrem täglichen Leben und ihren Routinen durch pandemiebedingte Einschränkungen und Unsicherheiten noch verstärkt werden können (Bochicchio et al., 2023) (Ng et al., 2020).
In diesem Zusammenhang können die Arbeiten von Paulo Freire und der Gestalttherapie wertvolle Einblicke in die gesellschaftspolitischen Implikationen der Post-COVID-Versorgung bieten.
Freires kritische Pädagogik, die das emanzipatorische Potenzial von Bildung betont, kann ein nützlicher Rahmen für das Verständnis der Erfahrungen von Post-COVID-Patienten und ihren Betreuern sein (Polivy, 1996). Die Gestalttherapie, deren Schwerpunkt auf der ganzheitlichen Integration des Individuums in seinen sozialen und ökologischen Kontext liegt, kann ebenfalls eine wertvolle Perspektive auf die psychologischen und sozialen Herausforderungen bieten, mit denen diese Bevölkerungsgruppe konfrontiert ist (Polivy, 1996).
Mit einem von Freire und Gestalt inspirierten Ansatz können wir untersuchen, wie die Pandemie bestehende soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten verschärft hat und wie diese Ungleichheiten die Erfahrungen von Post-COVID-Patienten und ihren Betreuern prägen (Schaefer & Palokas, 2023). Dies kann in die Entwicklung gerechterer und inklusiverer Gesundheitsstrategien und -praktiken einfließen und letztlich das Wohlbefinden und die Selbstbestimmung dieser gefährdeten Bevölkerungsgruppe fördern.