Die meisten Menschen können sich nicht wirklich etwas unter "Gestalttherapie" vorstellen. Deshalb möchte ich Ihnen kurz einige wesentliche Merkmale der Gestalttherapie erläutern:
Die Gestalttherapie ist ein psychotherapeutisches Verfahren, das Mitte des 20. Jahrhunderts von Fritz und Laura Perls entwickelt wurde. Der Begriff "Gestalt" wurde von der Gestaltpsychologie übernommen. Diese befasste sich damit, wie wir wahrnehmen. Was tritt in den Vordergrund, wenn wir ein Bild wahrnehmen. Was verändert sich, wenn wir ein Bild länger betrachten
Die Gestaltpsychologie hat erkannt, dass die menschliche Wahrnehmung dazu tendiert offene Gestalten zu schließen - dies ist eine Grundlage der Gestalttherapie. Die Gestalttherapie sieht den Menschen als eine geistig-seelisch-körperliche Einheit und geht von einem lebenslangen Wachstumsprozess aus. Ein besonderes Augenmerk richtet die Gestalttherapie auf die Entwicklung von Bewusstheit. Deshalb wird die Wahrnehmung der Gefühle, des Körpers und der Wünsche/Ziele im Hier und Jetzt besonders unterstützt. Sie ist ein dialogisches Verfahren, das der Begegnung zwischen Therapeut und Klient einen besonderen Stellenwert gibt. Die Therapeut-Klient-Beziehung wird geprägt durch die unvoreingenommene Vorgehensweise. Der Therapeut begleitet den Klienten auf seinem Weg und bringt die Bereitschaft mit, "sich überraschen zu lassen". Die aktuellen Probleme des Klienten werden in der Therapie zum Thema. Das können auch Erfahrungen aus der Vergangenheit sein, wenn sie gegenwärtig bedeutsam sind. Alte Muster werden im Hier und Jetzt lebendig und können so bewusst verändert werden. Durch Ausprobieren, Experimentieren, Entdecken, werden neue Erfahrungen gemacht. Die Gestalttherapie arbeitet deshalb auch kreativ z.B. durch Darstellung, Arbeit mit dem leeren Stuhl, Imagination... Dabei steht nicht die Technik im Vordergrund, sondern der damit verbundene Gefühlsausdruck.
Eine wesentliche Quelle des Gestaltansatzes ist die von Fritz und Laura Perls sowie Paul Goodman zu Beginn der 50er Jahre des 20.Jhdt. in den USA entwickelte Gestalttherapie, die sich in den 70er Jahren auch in Europa etabliert und weiterentwickelt hat. Die Wurzeln der Gestalttherapie liegen in der Psychoanalyse, der Wahrnehmungspsychologie, dem Existentialismus und der Phänomenologie. Der Gestaltansatz hat in den letzten fünfzig Jahren Eingang in viele Berufsfelder (Beratung & Coaching, Lehren, Lernen, Organisationsberatung und Therapie) gefunden.
Der Gestaltansatz geht davon aus, dass der Mensch in ein soziales und ökologisches Umfeld eingebettet ist. Wachstum, Entwicklung und Sinnfindung geschehen im Kontakt mit diesem Umfeld. Vertrauen in die Selbstregulierungskräfte und die Akzeptanz der aktuellen Situation schaffen die Voraussetzung für Veränderung und einen lebendigen Austausch des Einzelnen mit seiner Umwelt.
Zentral sind der wahrnehmungspsychologische Begriff der „Gestalt“ und der Begriff „Kontakt“. Nach Perls nimmt der Mensch sich und seine Umwelt als sinnvolle Einheiten - als Gestalten – wahr. Für den gelungenen Austausch mit der Welt bedarf es lebendiger Kontaktprozesse. Diese können aufgrund von Störungen unterbrochen werden. So genannte „unvollendete Gestalten“, zum Beispiel nicht gelöste Konflikte, sind das Resultat dieser Kontaktstörungen.
Die verbesserte Wahrnehmung, Perls spricht von „Gewahrsein“ (Aufmerksamkeit und Achtsamkeit), des Selbst und des Umfeldes in all seinen Facetten ist der Weg zur Überwindung dieser Störungen.